Die Oper Pagliacci des Neapolitaners Ruggiero Leoncavallo (1857-1919) wurde in Mailand am 21. Mai 1892 uraufgeführt und nimmt Bezug auf die Commedia dell'arte, das italienische Stegreiftheater mit festgelegten Rollentypen und entsprechender Figurenkonstellation. Es handelt sich um ein Bühnenwerk über das Theater (und dessen italienische Geschichte), über wahres und gespieltes Leben. Im Prolog tritt Tonio, der von allen verlachte Tölpel, im Kostüm des Taddeo auf und weist das Publikum darauf hin, daß in diesem Stück echte Tränen fließen würden, denn auch Künstler seien menschliche Wesen. Eine wandernde Theatertruppe ist gerade in einem kleinen Dorf des Südens in Kalabrien eingetroffen. Nedda, die die Rolle der Colombina spielt, vertraut vor der Abendvorstellung den Wolken ihr Leid an:Als Ehefrau von Canio (dem Bajazzo,der stets die Rolle des verhöhnten Ehemannes spielen muß) und ihrerseits vergeblich vom buckligen Tonio geliebt, hat sie im Dorf einen Liebhaber, mit dem sie fliehen möchte und träumt von Freiheit. Nach dem Intermezzo nimmt das Drama im 2. Akt seinen Lauf, denn auf der Bühne wiederholt sich die Konstellation der Realität: Die Komödie wird zur Tragödie, am Ende sind die Masken gefallen und Nedda/Colombina wird vom betrogenen Ehemann Canio/Pagliaccio getötet; ihr Geliebter folgt ihr in den Tod. Ausgehend vom italienischen Volkstheater entsteht so modernes dramatisches Musiktheater; in dieser doppelten Fiktion werden die verschiedenen Zeit- und Stil-Ebenen auch musikalisch kunstvoll ineinander verwoben.
Dr. Beate Angelika Kraus